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   S J Pedde Canada   Julius Pedde (1904 - 1998) Life Story

Julius Pedde

My mother wrote my father Julius Pedde's life story at my request.  My father was a man who said little but lived his life by example.  Like my mother, he suffered more in his life than anyone should have to endure. He went to school for several months during one Siberian winter and that was it.  He taught himself to read and write, enough arithmetic to become treasurer of a church-related funeral insurance system and was fluent in German, Russian and Polish. He died on December 16th, 1998, at Northland Manor in Port Colborne, Ontario, Canada, at age 94.

Julius Pedde

Julius Pedde wurde am 7. September, 1904, in Stare Grabie, Kreis Radzimin, Polen, geboren. Grabie, ein Dorf zwei Kilometer lang, hatte 9 deutsche Bauern.  Die anderen Einwohner waren Polen. Die Eltern von Julius, Daniel und Emilie Pedde, hatten ebenfals einen Bauernhof wo Julius seine Kindheit mit 6 Geschwistern, 3 Brüder, und 3 Schwestern, fröhlich verbrachte.

Dann kam der erste Weltkrieg, im August 1914. Weil Polen damals zu Rußland gehörte, und Rußland mit Deutschland Krieg hatte, befahl die russische Regierung allen deutschen Männern aus Polen nach Rußland zu gehen. So kamen sie bis nach Wolynien. Nach etwa 3  Monaten  mußten  die  Frauen  mit den Kindern den Männern folgen. Somit wurden die deutschen Familien umgesiedelt.

Die Reise ging zuerst mit der Bahn. Frauen und Kinder wurden in Güterwagen verfrachtet und nach Wolynien gebracht, wo die Männer auf sie warteten. Es war im Winter, und sehr kalt. Als sie auf dem Bahnhof ankamen, wartete Vater Pedde schon auf seine Familie. Er hatte sich ein Fuhrwerk angenommen sie abzuholen.

Der Russe, dem das Gespann gehörte, hatte zwei kleine Pferdchen die wie Fohlen aussahen. Weil sie nicht schnell laufen konnten, sprach er ihnen immer wieder auf russisch zu doch schneller zu laufen, weil die Kinderchen auf dem Wagen erfrieren. Ihrer waren sieben. Emma, Gustav, Julius, Frieda, Eduard, Otto, und Rosalie. Doch dauerte es einige Stunden bis sie ans Ziel gelangten, und unterwegs waren dem Otto die Füße angefroren. Das war im Januar 1915.

Im Juli bekamen auch die deutschen aus Wolynien Befehl, samt den Umsiedlern von Polen, weiter nach Rußland zu ziehen, weil das deutsche Militär immer näher kam. Vater Pedde kaufte dann ein Pferd und einen Wagen, lud die wenigen Habseligkeiten auf, und zog mit seiner Familie den anderen Flüchtlingen nach, bis sie nach Kief kamen, der Hauptstadt von der Ukraine. Die Reise bis Kief dauerte 6 Wochen. Es hätte schneller gehen können, aber ein jeder hoffte, daß das deutsche Militär sie bald einholen würde, und sie dann zurück in die Heimat ziehen könnten. So mußte die Polizei sie wieder weiter treiben.

Unterwegs gab es viele Schwierigkeiten. Eine Familie von 9 Personen konnte auf einem Wagen nicht schlafen. Dazu war der Wagen zu klein. So mußte Julius, und sein 1 1/2 Jahre älterer Bruder Gustav, auf der Erde unter dem Wagen schlafen. Eines nachts hat es sehr geregnet, und da die beide Jungs von dem vielen Zufuß gehen sehr müde waren, schliefen sie so fest, daß sie nicht merkten, daß das Wasser unter sie lief und sie schon im Wasser lagen. Die Mutter hat sie geweckt, und in der Nähe hatten Männer ein Feuer gemacht, da haben sie ihre Kleider getrocknet.

In der Zeit wurde auch noch ein kleiner Junge geboren, der den Namen Daniel bekam. Aber nach einigen Tagen starb er, und wurde auf einem russischen Friedhof begraben.

Wo sie in ein Dorf, oder in eine Stadt kamen, kauften sie Lebensmittel ein.  Sie haben draußen gekocht, und draußen gegessen.

In Kief hatten sie einige Tage aufenthalt. Sie wurden zum Hafen an den Fluss Dniepr gebracht. Vater verkaufte das Pferd und den Wagen. Sie wurden in einen Dampfer geladen,und fuhren nach Katarinislaw. Das war eine schöne Stadt. Die Reise mit dem Dampfer dauerte einige Tage. In Katarinislaw wurden sie auf eine Bahnstation gebracht wo sie 2 Wochen draußen auf dem Steinpflaster schlafen mußten, bis ein Zug eingesetzt wurde der sie nach Omsk in Siberien brachte. Die Reise mit dem Zug dauerte wieder 6 Wochen, denn  die Russen hatten keine Eile vorwärts zu kommen. Der Zug hielt oft Stundenlang auf einer Stelle, zuweilen vielleicht auch einige Tage. Unterwegs, im Zug, starb Rosalie, und wurde in der Stadt Samara vom  Lutherischen Pastor beerdigt.  Dann blieben 6 Kinder. In Omsk angekommen, blieben sie noch zwei Wochen auf dem Bahnhof, in dem Güterwagen. Die Männer fuhren dann mit einem andern Zug zu einem Dorf wo sie hörten daß dort deutsche Leute wohnten. Das war ein Menoniten Dorf. Sie bekamen Quartier, kamen zurück und meldeten, daß sie in Maslanowka (Butterdorf) Unterkunft gefunden haben. Der Güterwagen, in dem sie noch immer wohnten, wurde auf eine andere Strecke rangiert und zur Station Lublinskaja, 60 Wiorst von Omsk gefahren. Nun hatten sie es noch 5 Wiorst bis zum Dorf. Sie hatten aber Glück dort hinzukommen, denn die Bauern von Maslanowka hatten Weizen zur Station geliefert, und nahmen die Flüchtlinge gleich mit zu ihren Quartieren. Das war im Oktober 1915, und in derselbe Nacht fiel dort der erste Schnee.

Die Familie Pedde wurde in einer Schule untergebracht die zu der Zeit leer stand. Es war nur ein großer Wohnraum in dem sie wohnten, und nebenan war der Schulraum, sie wohnten dort 2 Jahre. Im zweiten Jahr, ging Julius nach Smolanowka (Teer Dorf) zu einem Bauern in Dienst  und hat dort das Vieh hüten müssen. Er war damals 12 Jahre alt. Inzwischen mußte die Familie die Schule räumen, denn die Bauern wollten wieder Schule, für ihre Kinder, halten — und der Lehrer brauchte den Wohnraum. Vater Pedde bekam einen Bauplatz bei einem russischen Bauern in Filatow, 1 1/2 Wiorst weiter, dicht an einem Brunnen.  Die Regierung hatte das Land so eingeteilt, daß 4 Farmen mit den Ecken zuzammen kamen, und in der Ecke hat sie einen Brunnen gegraben. So konnten 4 Bauern das Wasser aus einem Brunnen für sich und für ihr Vieh Schöpfen. An solchem Brunnen hat der Vater ein Rasenhaus gebaut. Es wurde eine Fläche, so groß wie das Haus sein sollte, 2 Fuß tief ausgegraben. Dann wurden Rasenstücke gestochen und so wie man ein Ziegelhaus mauert, wurden auch die Rasenstücke verbunden, um die ausgegrabene  Fläche gelegt,  und  eine  Wand von 1 1/2 Fuß dick gemacht.  Als Decke und Dach zusammen wurden einige Bäume abgehauen, und über die Wände gelegt. Das waren die Sparen. Auf die Sparen wurde Strauch gelegt, und obendrauf kam wieder Rasen. Das Haus war länger als breit, so wurde eine Wand darin gemacht welche den Stall von der Wohnung trennte. Das Haus hatte nur einen Ausgang. Aus der Wohnung konnte man durch den Stall nach außen gehen.

In der Wohnung, welche aus einem Raum bestand, waren zwei kleine Fenster durch welche man den langen Winter hindurch den Schneestürmen zuschauen konnte. In der Wohnung wohnten 8 Personen, denn Emma, die älteste Schwester, war bei einer Menoniten Familie im Dienst, und Adolph war inzwischen geboren. Im Stall war eine Kuh, ein Schwein, einige Hühner, und ein schöner, großer, gelber Kater, welcher den Winter hindurch im Stall gemütlich schlafen konnte. Sobald es aber wärmer wurde, hielt ers im  Stall nicht mehr aus.  So zog er dann jeden Frühling in die Ferne, und kam erst im Herbst wieder zurück. An einem Herbstmorgen, als die Mutter aufstand, hörte sie sein Miauen, konnte ihn aber nicht finden. Endlich stellte sie fest daß er im Ofen sein muß. Sie öffnete die Ofentür, und heraus kam ein pech-schwarzer Kater. Um Wärme zu finden, war er in den Schornstein gestiegen, die Gänge in dem Mauerwerk entlang gegangen, bis er zur Kochstelle gelangte, wo Mutter ihn in die Freiheit ließ. Sie brauchten keinen Schornsteinfeger holen,  die  Arbeit hat der schöne, gelbe Kater getan.

Im Sommer ging der Vater mit den beiden ältesten Söhnen Gustav und Julius bei den Bauern Holz fällen und zu Brennholz versägen. Dabei verdienten sie ihren Unterhalt. Den Winter über waren sie zuhause.  

Nach 3 Jahren zogen sie wieder nach Maslanowka wo sie zuerst gewohnt hatten. Da wurde dann ein Lehmhaus gebaut. Ein größerer Wohnraum und ein größerer Stall wo vier Kühe hätten Platz gehabt. Für die Außenwände wurden Baumstämme eingegraben, in  welche große Löcher gebohrt wurden, durch die Löcher wurden Querhölzer geschoben. Dann wurde das Ganze mit dünnen Birken ausgeflochten. Es gab dort weiße Kalkerde, die wurde aufgegraben, mit Wasser begossen, viel feines Stroh raufgeschüttet und von Pferden durchtrampeln lassen. Mit dieser Masse wurde das Haus von innen und außen beworfen. Auf das Haus kam ein Rasendach, aber obendrauf auch eine Kalkmasse. In diesem Haus wohnten sie bis Januar, 1924 da sie zurück nach Polen ziehen durften.

Im sommer war Julius selten zuhause. Er hat auch bei den Bauern mit Pferden auf dem Felde gearbeitet. An den fünfscharigen Pflug wurden 5 Pferde gespannt, auf einem davon saß Julius und hat die Pferde gelenkt. Hinten auf dem Pflug war ein Säkasten der gleichzeitig gesät hat. An den Pflug waren zwei Pferde gebunden die die Egge hinterherzogen. Die letzten 2 Jahre hat er in einer Mühle gearbeitet.

Im Winter konnte man Nachts die Wölfe heulen hören. Es war dort viel Wald, viele Wölfe und viele Hasen. Die Wölfe kamen des Nachts ins Dorf um Futter zu suchen.  Einmal haben sie bei einem Bauern einige Schafe geholt weil der Zaun kaput war. Bei Peddes war mal ein Hund verschwunden, den wahrscheinlich auch ein Wolf geholt hat.

Ende 1922, als die Komunisten die Regierung übernahmen, nahmen sie den Bauern Vieh und Getreide weg und ließen ihnen nur ein wenig zum essen.  Für die Saat im nächsten Frühling war kaum was übrig. Das Wenige das die Bauern noch gesät haben, haben die Grashopfer (Heuschrecken) abgefressen.  Und  da  gab  es  eine  Hungersnot. Viele Menschen in den Städten sind verhungert. Gustav war einmal in der Stadt um die Ausreisepapiere zu besorgen, da hat er viele verhungerte Menschen auf den Straßen liegen sehen. Eine Mutter die auch am verhungern war hat ihren fast toten Sohn am Beim gezogen, den Kopf auf der Straße schleppend. Auf dem Lande war es etwas besser. Gras war genug. Familie Pedde hatte zwei Kühe die Milch gaben. Im Sommer waren viel wilde Erdbeeren, die haben sie gepflückt, gewaschen und mit Stengeln, in der Milch, gegessen. Die roten Beete waren sehr gross geworden. Die wurden klein gerieben, mit Schrot gemischt und auf der Ofenplatte gebacken. Das war das Brot. Einige Put Hirse hatten sie für die Arbeit beim Bauern bekommen, da gab es Hirsebrei. Manchmal gab es nur eine Mahlzeit am Tage, manchmal 2.

Im Januar 1924 bekamen sie dann Erlaubnis zurück nach Polen zu ziehen.  Sie verkauften ihre 2 Kühe, ließen die selbstgemachten Möbelstücke stehen und zogen der Heimat zu. Isaak Hübner der sich mit Emma verheiratet hatte, und Jakob, sein Bruder, brachten die Familie mit dem Gepäck auf zwei Schlitten zum Bahnhof Lublinskaja, und dann gings mit dem Zug nach Omsk. Dort mußten sie
noch ein paar Wochen auf dem Bahnhof im Wartesal zubringen, auf dem Fußboden oder auf Bänken schlafen bis dann zwei Güterwagen für die Heimkehrer eingesetzt wurden.

Die Bahnhöfe in Rußland waren groß und schön. Auf jedem Bahnhof konnte man gekochtes Wasser, für Tee, umsonst haben. Das Andere wurde kalt gegessen.

Im Zug, im Güterwagen war ein Blechofen der wegen der Kälte niemals ausgehen durfte. Wenn der Zug stehen blieb, stiegen einige Männer ab um Brennmaterial heranzuschaffen. Auf den Bahnhöfen lagen Haufen von Kohlen.  Da wurden dann einige Säcke damit gefüllt, und mitgenommen um immer Vorrat zu haben. Dann wurden auch Lebensmittel eingekauft. Einmal hatte Julius das Glück billigen Speck zu kaufen. Da brachte er ein großes Stück davon, und einen Beutel mit Zwiebeln, und Mutter hatte wieder was zum braten für die Familie. In demselben Wagen waren auch noch andere Heimkehrer die nach Polen  fuhren.  Als sie nach 6 Wochen an der polnischen Grenze in Stolpze ausstiegen, war der Blechofen durchgebrant. Ein anderer Zug brachte sie über die Grenze nach Bialystock in Polen.

In Bialystock hatten sie einige Tage Aufenthalt. Da wurden sie ärztlich untersucht, entlaust, und geimpft. Den Männern wurden die Haare abgeschoren.  Von Bialystock gings dann mit dem Personenzug, 120 kilometer, nach Wolomin der nächsten Stadt von zuhause. Vater und Julius gingen dann zufuß, sechs kilometer,  nach Stare Grabie (Alte Harke) dem Heimatdorf zum Onkel Christov.  Das war des Vaters Bruder.  Daniel, sein Sohn und Eduard Wanke der Schwiegersohn von Onkel Christov, holten die Familie mit den Schlitten vom Bahnhof ab. Beim Onkel Christov wohnten sie bis zum Frühling.

Nach neunjährigem hin-und herwandern waren sie gesund und wohlbehalten wieder in ihrer Heimat angelagt, außer Emma, die sich mit Isaak Hübner, in Sibirien, verheiratet hatte. Sie blieb mit ihrem Mann noch beinah drei Jahre dort. Dann hat Deutschland sich für die Deutschen in Rußland eingesetzt um sie herauszubekommen, denn die Russen wollten keine Deutschen mehr heraus lassen. So kamen Emma und Isaak nach Deutschland. Von dort aus fuhren sie nach Brasilien. Mariechen, ihre älteste Tochter wurde in Sibirien geboren, die andern drei Kinder: Frieda, Daniel und Ana sind in Brasilien geboren. Emma starb da alle Kinder erwachsen waren. Isaak Hübner, ihr Mann, hat wieder geheiratet. Er starb 1979.

Nach Rußland zogen neun Personen. Die Eltern und sieben Kinder: Emma, Gustav, Julius, Frieda, Eduard, Otto und Rosalie welche unterwegs starb.  Zurück kamen zehn Personen: Die Eltern und acht Kinder: Gustav, Julius, Frieda, Eduard, Otto, Adolf, Wanda und Maria. Emma war in Sibirien geblieben. Adolf, Wanda und Maria sind in Sibirien geboren.

Im Frühling 1924 zog die Familie Pedde auf ihren Hof und wohnte auf dem Kellerboden. Der Keller war unversehrt stehen geblieben. Da Haus und Stall während des Krieges zerstört wurde, mußte neu gebaut werden. Man hat Holz gefällt im eigenen Wald, selber mit dem Brettschneidereisen die Bäume zu Baumaterial geschnitten, und ein Haus mit Stall gebaut. Im nächsten Jahr wurde die Scheune umgebaut.

Im Januar 1931 hat Julius sich verheiratet mit Emma Katschkowski von Radislawow, Polen. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Wanda und Bruno.  Bruno starb als acht Monate altes Baby. Emma war lungenkrank und starb nach vier j
ähriger Ehe.

Julius hat sich wieder verheiratet mit Alma Schmigelski von Kempa Kikolska, Polen, am 4. Juli, 1937.


Papa Julius Pedde zum 80. Geburtstag.

80 Jahre alt. Welch eine Reihe von Jahren. Und was man in so vielen Jahren alles tun kann, geht auf keine Kuhhaut zu schreiben. Doch ich habe versucht ein wenig aufs Papier zu bringen. Als fünfter in der Familie hatte Papa wahrscheinlich keine lange Weile. Als Baby hat er sich von seiner älteren Schwester pflegen und herumtragen lassen, wenn die Mutter keine Zeit dazu hatte. Das Essen hat ja wohl auch immer geschmeckt. Und wenns auch mal nicht schmeckte hat man doch gegessen, weil die andern aßen. Als Kind tut man ja immer was die andern tun, soweit man das kann. Nur die Semmeln schmeckten nicht. Da hat er lieber Schwarzbrot, in die Milch gebrockt, gegessen.

Da sein Bruder Gustav nur 1 1/2 Jahre von ihm älter war, gab es viel Spaß, zwischen den beiden, als sie Buben waren. Was der eine nicht erdenken konnte, erdachte der zweite und so wurden dann allerlei Streiche zusammen verübt. Einmal hatten beide großen Appetit auf Äpfel. Für reife Äpfel war es noch zu früh. So haben sie dann grüne Äpfel gepflückt und gegessen. Der Magen war aber nicht ganz zufrieden mit solch einer Kost. Da hatten sie Angst, daß sie krank werden. Was nun tun? Arzenei war keine da. Da kamen sie auf den Gedanken Sand zu essen. Das würde schon den Magen kurieren. Gesagt, getan. Und tatsächlich. Sie wurden nicht krank, weder von den unreifen Äpfeln noch von dem Sand.

Als der erste Weltkrieg ausbrach und die ganze Familie, Eltern mit sieben Kindern, nach Rußland verwiesen wurde, hatte Papa nicht die Gelegenkeit lange zur  Schule zu gehen.

In Rußland gabs zu der Zeit auch keine Möglichkeit zur Schule zu gehen.  Aber der Opa war weise. Die Kinder, die dazu fähig waren, mußten im neuen Testament lesen lernen. Darauf bestand er, ob es ihnen gefiel oder nicht. Das war ein guter Zeitvertreib im Winter. Als sie erst groß genug waren, mußten sie im Sommer, mit dem Opa, arbeiten gehen. Da dort viele Menoniten waren, bei denen sie gearbeitet haben, hat Papa auch das menoniten Plat gelernt, ebenso auch die russische Sprache.

In der freien Zeit gingen die Jungen aus dem Dorf aufs Feld und nahmen auch den Papa mit. Dort haben sie Gurken gepflückt und mit der Schale gegessen. Dem Papa war das aber fremd und hat ihm nicht geschmeckt. Gurken mußten doch geschält und zubereitet werden. Aber in Sibirien gab es kein Obst, so hat man Gurken anstat Obst gegessen.

Mit achtzehn Jahren kam er nach Polen zurück, da mußte er wieder polnisch lernen. Und was hat er da alles an den Tag gelegt? Da könnte man ein dickes Buch schreiben. Neben viel Spaß mit den Geschwistern und neuen Freunden, mußte er auch schon schwer arbeiten. Junge Menschen wollen sich schön kleiden. Da muß man eben Geld verdienen um Kleider kaufen zu können.  Da Otto kränklich war, und nicht arbeiten konnte, haben seine drei Brüder beraten, er solle zu hause bleiben, ihre Sachen in Ordnung halten und sie wollen ihren Lohn mit ihm teilen, damit er auch für sich was kaufen kann. Das war doch echt brüderlich geteilt, nicht war? So hat Otto zuhause Socken gewaschen, Schuhe geputzt, Anzüge gebürstet, und Hosen gebügelt, bis er fähig war selber zu arbeiten.

Nachher hat Papa seine Emma gefunden und hat geheiratet. Da ist er von seinen Eltern und Geschwistern weggezogen. Zufällig hatte Emma eine Schwester in Kempa wo ich wohnte. So kamen sie ab und zu die Schwester zu besuchen. Mit der Zeit fanden auch Papas drei Brüder nach Kempa. Der vierte war noch etwas zu jung.  Die drei aber suchten auch schon Frauen. Und jedes mal wenn einer von ihnen kam sagten die Kempner: Pedde ist schon wieder da.

Ja, die Peddes waren aber nicht nur auf Kempa. Die suchten auch viele andere Ortschaften ab. Und als nach vierjähriger Ehe Emma starb, mußte auch Papa wieder auf die Suche gehen.  Auto’s hatten die Burschen nicht, dazu waren ja auch die Strassen viel zu schlecht. Da mußten sie dann auf Fahrrädern kreuz und quer durchs Land sausen.  Manchmal gings auch eine Strecke mit dem Zug und den Rest des Weges su Fuß. Interressanterweise kamen zwei aber immer wieder nach Kempa zurück. Denn Gustav hatte meine Nachbarin, eine Witwe liebgewonnen und hat sie geheiratet. Papa war auf mich versessen.

Emma’s Schwager hatte ihn einmal mit einem Eimer woll kleiner Fische in unser Haus geschickt. Die Fische hatten sie selber gefangen. Ich mußte dann die vielen Fische sauber machen. Einmal hat er mich im rosa Kleid, seiner Lieblingsfarbe Erdbeeren pflücken gesehen. Ob ihm das rosa Kleid was angetan hat? Ein drittes mal ging er quer übers Feld als ich in Lederstiefeln, einer dicken Jacke, ein dickes Tuch um den Kopf, mit nasser Erde beschmierten Händen, im Regenwetter, Kartoffeln gegraben habe.

Warum er auf mich so vernommen war weiß ich bis heute nicht. Wieviel tausend mal es ihm schon leid getan hat, daß er mich geheiratet hat, weiß ich auch nicht. Denn ich bin nicht sein Typ. Ich kann nicht viel von den alten Wruckenjahren, wie er sagt, erzählen. Das konnte Emma gut. Wäre sie noch am leben, hätte Papa jetzt keine lange Weile. Mit mir und meinen vielen Hobbies ist er oft unzufrieden. Ich soll neben ihm sitzen und erzählen. Und das kann ich nicht gut.

Wenn Emma, auf Befehl des Herrn, wird kommen um den Papa abzuholen, wird sie ihm erzählen was sie in den vielen Jahren, in der Ewigkeit, erlebt hat. Da wird es ihm bestimmt nicht langweilig werden. Bis dahin wird er hier veilleicht noch so manche lange Weile verbringen müssen.

Nun ja, wie mans hat ist es niemals gut. Man ist immer unzufrieden.

Aber es könnte schlimmer sein wie es ist. Da wir uns  auf der Flucht, vor den Russen, verloren hatten und einer vom Verbleiben des Anderen nichts wußte, hat Papa mich doch wieder solange gesucht bis er mich gefunden hat.  Und ich habe ihn natürlich auch gesucht. Hoffe, daß so etwas nie wieder passiert.

Als Papa noch jung war hat er gern Kellner gespielt. In Polen gab es jeden Sommer irgendwo eine Konferenz, wo viele Prediger und andere Besucher hinkamen. Die Konferenz wurde gewöhnlich auf dem Dorf gehalten. Die Bauern nahmen die Gäste auf, haben sie bewirtet und als Nachtquartier ihnen die Scheune zur verfügung gestellt. Um zwanzig bis dreißig oder noch mehr Gäste zu speisen,  war das Haus manchmal zu klein. Da hat man draußen oder in der Scheune Tische zugerichtet, wo gegessen wurde. Da war dann Papa in seinem Element. Seine Hände zitterten damals noch nicht wie sie es jetzt tun. Er schwang ein Handtuch über die Schulter, hat Speisen aufgetragen und die Leute bedient. Das hat er noch getan als wir schon verheiratet waren. Da war einmal Kircheneinweihung in der Gemeinde zu der er gehörte. Meine Mutter und ich waren auch dort. Papa und einige andere Brüder haben den Gästen Quartiere angewiesen. Das war eine wunderbare Gelegenheit für ihn uns, als die ersten Gäste, in sein Elternhaus zu schicken. Wir waren mit dem Zug gekommen. Ich war damit nicht zufrieden, denn ich wußte, daß in dem Haus so viele Junggesellen waren, blieb stehen in der Hoffnung, daß jemand anders uns eine andere Stelle anweisen würde. Aber das geschah nicht. Er kam um zweiten mal und hies uns gehen. So blieb uns nichts weiter übrig als zu gehorchen. Am liebsten wäre ich gleich nach hause gefahren.  Aber das ging auch nicht.  Mit uns waren noch einige Mädchen einquartiert.

Manchmal sind wir beide an den langen Winterabenden müde vom lesen.  Dann fängt Papa an von den alten “Wruckenjahren” zu erzählen. Er erinnert sich wie er als Junge das Vieh hütete mit seinen Brüdern.

Da fanden sie eine gute Peitsche, die wahrscheinlich die Jäger verloren hatten, die sie für ihre Hunde brauchten. Die Jungs brachten die Peitsche nach hause, aber die Oma nahm sie gleich in empfang, denn mitso vielen Kindern war es nötig auch einmal Ruhe zu verschaffen.  Als Papa gerade an der Reihe war damit eins zu kriegen, kam Daniel sein Koseng an. Der war schon älter. Er nahm die Peitsche und versteckte sie und Oma hat sie nie mehr gefunden. Nach Jahren frug Papa ihn einmal wo die Peitsche verblieben ist. Er sagte, er hat sie hinter einen Balken gesteckt. Als die Russen, im Krieg, das Haus ansteckten ist die Peitsche mitverbrannt.

Oft sitzt Papa draußen allein. Da gehen wohl seine Gedanken spazieren, denn die Beine können es nicht. Ich wundere wo sie dann sind. Vielleicht in Sibierien, oder in Polen, in Deutschland, beim Soldatendienst, auf der Flucht, in Alberta oder hier zuhause. Vielleicht hört er die Wölfe in Sibierien oder die Kujuten in Freedom, Alberta heulen. Vielleicht hört er die Kugeln heulen und die Bomben im Krieg einschlagen. Vielleicht sieht er die Emma und den kleinen Bruno sterben. Vielleicht sucht er in Gedanken mich und die Kinder nach der Flucht. Das alles sind trübe Gedanken, welche einen zermürben, wenn man sie nicht abweist.

Sitzen wir beide draußen, dann sieht Papa den Flugzeugen zu, wie sie so hoch in der Luft ziehen, und wir erzählen uns manchmal von dem herrlichen Flug über den Wolken als wir nach Deutschland und zurück flogen, wie sie so majestätisch wie große Schneeberge dahinschwebten. Ein herrlicher Anblick.

Im Frühling guckt Papa den Vögeln zu wie sie Baustoff für ihre Nester sammeln. Dann wie sie Futter für ihre Jungen suchen. Sind die Jungen ausgeflogen, dann guckt er zu wie die Alten sie auf der Erde füttern, bis sie selbst ihr Futter suchen können.

Sitzen wir auf der Veranda, schaun wir einer dicken Spinne zu wie sie das Spinngewebe macht. Auf einmal greift Papa einen Latschen, haut der Spinne eins damit und sagt: Ha, ich werde dir geben!  Da habe ich ein kleines Gedicht gemacht!

O, du kleine Spinne was hast du denn im Sinne?
Du spinnst schon wieder Gardinen.
Damit kannst du aber kein Geld verdienen.
Jemand wartet mit dem Latschen.
Bald wird es mächtig klatschen.
Verloren hast du dann dein Leben,
und es hat keine Gardinen gegeben.

Einmal hat Papa zwei Vogelhäuser gebaut. Die Vögel freuten sich und haben sich gleich darin eingerichtet. Als sie aber die Knospen von Blumen und Tomaten abpickten verloren sie ihre Wohnungen. Sollche Einwohner kann Papa schlecht gebrauchen.

Vom Frühling bis Herbst hat Papa Beschäftigung im Garten. Da wird gegraben, gehackt und gegossen. Hier und dort kriegt eine Pflanze ein Pfälchen und wird angebunden, damit sie nicht umfällt. Und dann wird auf das reife Obst gewartet. Mancher Baum tut seinen Dienst, einem andern wurde die Axt an die Wurzel gelegt.

Dann kommt der lange Winter wo man nicht raus kann. Sobald aber Schnee fällt hat Papa auch wieder etwas Zeitvertreib beim Schaufeln. Fällt aber zuviel, daß er’s nicht schaffen kann, dann dürfen die Nachbarsjungs etwas verdienen.

Papa liest im Winter viel. Die Bibel am meisten. Dann ein gutes Buch und die deutsche Zeitung ,,Der Kurier”. Gelegentlich hilft er mir ein wenig Handarbeit machen. Er hat schon viele Kleiderbügel bezogen. Papa hilft viel bei der Hausarbeit. Ist etwas in den Keller zu tragen oder zu holen, tut er es meistens.  Bin ich beim Wäsche waschen, tragt er die Wäsche hoch zum aufhängen. Er faltet auch die Handtücher, hängt seine Hemden in den Schrank, und die andern Sachen kommen in die Schubladen. Alles muß bei ihm Tip Top sein. Er putzt die Teppiche und trocknet Geschirr. Er hält die Messer und Scheeren immer scharf.  Kommt Besuch, so deckt er den Tisch.

Mit der langen Weile ist das sollch eine Sache. Wenn man nichts zu tun hat und auch nicht mehr viel tun kann, denkt man viel. Da möchte man mal gerne sehen was die Kinder machen aber man kann ja nicht oft zu besuch fahren, es ist zu weit. Da sagt Papa manchmal: Ich denke heute ruft Siegfried an, oder heute ruft Alfred an. Manchmal ist es eingetroffen. Das ist dochwohl die Gedankenübertragung. Manchmal hielt ers nicht länger aus und hat selber angerufen. Wenn wir dann hören, daß noch alles gut geht, sind wir beide zufrieden. Wenn Ihr uns besucht freuen wir uns immer.

Wir sind Gott dankbar daß wir gute Kinder und gute Schwiegerkinder haben. Auch unsere Enkel sind gut. Ohne Euch wären wir in unserem Alter oft in großen Schwierigkeiten. Wanda springt ein wenn es gilt wohin zu fahren. Alfred Pekrul hat schon manchmal Besuch von St. Catharines abgeholt. Er war es der den Anfang gemacht hat mit dem Kabine anbauen. Siegfried und Alfred haben auch einen Teil dazu beigetragen, daß wirs jetzt so schön und beguem in der Kabine haben.


Was Papa manchmal sagt:

     ,,Schlafen gehen nützt nichts, wach bleiben nützt auch nichts.”

    ,,Die jungen Vögel holen die Pierotse  (Regenwürmer) genauso aus der Erde wie die       Alten und sind erst zwei Monate alt.”

     ,,Die Kartoffeln kannst stampfen, die schmecken nicht!”

     ,,Es brauchten keine Gurken zum Mittag sein, zweierlei Gemüse ist zu viel!”

    ,,Kannst du denn niemals stille sitzen? Mußt du immer was tun?”

    ,,Jetzt erzähl mal von den alten Wruckenjahren!”

Ja, lieber Julius, erzählen kann ich nicht viel, aber ich habe einen kleinen Teil deines Lebenslaufes beschrieben. Bist du nun zufrieden?

Deine Alma

© Alma Pedde 2002

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